Auf sie!! In diesem Sommer stürzen sich die Tourismusbüros auf die Radfahrer.
In diesem Jahr sind es also die Radfahrer. Als Zielgruppe schon immer eine feste Größe einiger Destinationen gewesen, so scheinen Sie vielerorts gerade neu entdeckt worden und inzwischen flächendeckend ins Visier von Tourismusbüros und in- und ausländischen Fremdenverkehrsämtern geraten zu sein. Mit den ersten Sonnentagen schießen also nun überall die Radfahrkampagnen aus dem Boden. In diesem Jahr vielleicht die umkämpfteste touristische Zielgruppe, werden für die Radfahrer inzwischen allerorts stinknormale Feldwege zu spektakulären Radrouten erklärt.
Klar, dass das Sinn macht – der demographische Wandel, das steigende Gesundheitsbewusstsein und Entschleunigungsbedürfnis in der Bevölkerung, der Trend zum heimatnahen Urlaub und zu Kurzurlauben – all das spricht für das Rad und für den Radfahrer als Objekt der Begierde. Die Studie „Radreisen der Deutschen“ der Trendscope aus dem letzten Jahr bestätigt: Unter denjenigen, für die ein Radurlaub zukünftig vorstellbar ist, haben 39 Prozent eine Durchführung innerhalb der nächsten zwölf Monate sicher oder zumindest wahrscheinlich geplant. „Die Studienergebnisse belegen erneut das große Potenzial, das Radurlaub unter den Deutschen für den Tourismus besitzt. Der Trend der vergangenen Jahre scheint weiterhin ungebrochen. Der Anteil der tatsächlich geplanten Radurlaube zeigt jedoch auch die Notwendigkeit für die Akteure in der Touristik, dieses Potenzial erst noch zu erschließen“, so Dr. Dennis Hürten, Geschäftsführer von Trendscope. Das wird jetzt also, zumindest kommunikativ, nachgeholt.
Die übergreifende Botschaft, die der Konsument jedoch in diesen Tagen der Kommunikationslandschaft entnimmt, ist diese: Radfahren ist überall möglich und überall schön.
Kann das im Sinne der Tourismusbüros sein? Nein. Lohnt es sich, wahnsinnig viel Geld für Kampagnen auszugeben, die sich letztendlich kaum von anderen unterscheiden und nur kommunizieren, dass in der Region auch schön Rad gefahren werden kann? Nein. Prima ist, dass auf dem Gebiet neue Potenziale erschlossen werden und die Radfahrer endlich ernst genommen werden. Dass die Infrastruktur verbessert wird, vielleicht dadurch ein wenig Benzin gespart und die Welt ein kleines bisschen besser wird.
Was dabei jedoch meist wieder zu kurz kommt, ist die Marke – die einzige Möglichkeit, sich, auf diesem wie auf anderen Gebieten, von der Konkurrenz zu unterscheiden. Warum wird Radurlaub überall gleich dargestellt? Gefragt sind neue Ideen, die Radfahrstrecken der Region darzustellen. Vollständig, informativ, klar, aber abseits der üblichen Darstellung und – zumal wenn noch Geld für eine Kampagne ausgegeben wird – gefärbt durch den einzigartigen Charakter der Region. Nur so entsteht mit der Zeit ein einheitliches Bild (Positionierung!) und eine emotionale Bindung der potentiellen Gäste mit der Region – und damit ein echter Grund, dort den nächsten Radurlaub zu verbringen.
Dies bestätigte schon eine Studie des Saarlands aus dem Jahre 2005 (Tourismusbarometer Saarland – Jahresbericht 2005): „Die beliebtesten Radregionen Deutschlands sind seit einigen Jahren Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und darin noch einmal speziell Franken. Das Saarland ist als Radreiseregion nicht unter den beliebtesten 12 Regionen zu finden. Auch Rheinland-Pfalz wurde lediglich im Jahr 2003 auf Rang 10 einmal unter die beliebtesten Regionen gewählt. Die Eifel, die in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen liegt, konnte ihre Position über die Jahre halten und sogar leicht verbessern. Das Ranking macht deutlich, dass die natürlichen Gegebenheiten (bergig/flach, Küste/Binnenregion) bei der Beliebtheit nicht von Bedeutung sind. Entscheidend ist vielmehr die Bildung einer radtouristischen Marke. “
Die langfristige Ausrichtung der Kommunikation, das klare Verständnis der Marke und die konsequente Ausrichtung der Kommunikation anhand dieser ist also – wieder einmal – zu wichtig, um so konsequent vernachlässigt zu werden, wie dies leider noch immer häufig der Fall ist. Achten Sie im Osterurlaub doch mal auf Radfahrflyer (jede Wette, dass Ihnen mindestens einer über den Weg läuft), und überlegen Sie ob und wenn ja, wieso Sie Ihren Radurlaub ausgerechnet in dieser Region verbringen wollen. Zufall, persönliche Neigung oder Kommunikationsleistung des Tourismusbüros?