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  • Jul 7, 2010
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Ohne Mut nichts los.

Heute mal ein kleiner Psychotest:
Versuchen Sie sich innerhalb der nächsten 5 Sekunden zu erinnern, welchen Film Sie zuletzt gesehen haben.

Fünf — vier – drei – zwei – eins – STOPP!

Na, fällt Ihnen auch nichts ein?
Ganz ähnlich geht es vielen mit der Werbung. Vielleicht sogar Ihrer Werbung?

Täglich prasseln über 3.000 Werbeeindrücke auf jeden von uns ein, die (Kauf-)Entscheidungen herbeiführen möchten. Was aber am Ende bei der Zielgruppe ankommt, ist oft nicht mehr als weißes Rauschen. Denn wenn wir uns nicht einmal an den zuletzt gesehenen Spielfilm erinnern, der über eine Stunde dauerte, wie kann es eine Werbebotschaft schaffen, in ein, zwei Sekunden die Aufmerksamkeit der Betrachter zu erhaschen, sie zu überzeugen und schließlich zum Kaufen/Buchen zu bringen?

Es hilft, die Erkenntnisse der Wahrnehmungspsychologie zu nutzen:

Bei Tests mit etwa 6 Monate alten Babys stellte sich heraus, dass dem immer Gleichen weniger Aufmerksamkeit zuteil wird als dem Neuen, Unerwarteten: Man gab den Kleinen ein Spielzeug, zunächst ein Zebra. Die Figur wird von allen Seiten betrachtet, in den Mund genommen, auf Form und Geschmack getestet und nur widerwillig aus der Hand gegeben.

Dann bekommt das Kind einen Elefanten, der schon nicht mehr so eingehend untersucht wird. Dann ein Pferd, einen Hund, immer wieder ein Objekt aus dem Tierreich – und irgendwann hat das Kleine genug. Es langweilt sich. Die schwindende Aufmerksamkeit zeigt, dass bereits ein Baby in der Lage ist, Gesehenes in eine Kategorie, eine Norm einzuordnen.

Erhält das Kind dann aber einen Gegenstand aus einem anderen Themengebiet, wie etwa ein Puppenbettchen, ist das Interesse wieder geweckt. Und was bei Babys funktioniert, muss bei Erwachsenen nicht komplett anders sein. Was sich ändern muss, ist die Art der Ansprache.

Wie nutzten Sie das für Ihre Werbebotschaft im Umfeld des Tourismus?

Zunächst hilft es, sich bewusst zu machen, was das immer Gleiche, die Norm in der Tourismuswerbung ist. Das sind Bilder von Traumdestinationen, der obligatorische Sandstrand mit Palmen, glückliche Menschen im Flugzeug oder Hotel, in aufregenden Städten oder wunderschönen Landschaften gepaart mit wohlklingenden, einladenden Headlines.

Alles schön und gut, die Sehnsucht nach Reisen will geweckt werden und ist gerade bei den Deutschen groß. Aber nimmt man diese Botschaften in Serie wahr, ist es, als habe man zu viel Süßes gegessen. Es hinterlässt einen faden Geschmack und man bekommt Appetit auf etwas Salziges.

Diesen Hunger nach etwas Herzhaftem, nach dem Abweichen von der Norm der Tourismuswerbung, hat die Stadt Hameln mit diesem Plakat gestillt:

 

Auf dem Megalight finden sich nicht die in der Branche üblichen inszenierten Fotos mit den fröhlich-bunten Farben, sondern ein dunkel-bedrohlicher Grauverlauf. Statt berühmter Stadtansichten eine roh wirkende Illustration und statt glücklichen Menschen – eine Ratte. Selbst der Call-to-Action fällt anders aus als gewohnt: „Fahren Sie woanders hin!“

Diese Botschaft setzt komplett auf Irritation, lässt die Wahrnehmung stolpern und bewirkt damit: Aufmerksamkeit!

Natürlich gehört eine Portion Mut zu solch einem Plakat. Aber es wirkt. Finden Sie nicht?

Diesen Mut sollte die Tourismusbranche öfter haben. Es hätte sicher für Aufmerksamkeit gesorgt, hätten unsere östlichen Nachbarn in den neunziger Jahren mit dem Claim geworben: „Reisen Sie nach Polen, Ihr Auto ist schon da!“

Oder würde man in einem Prospekt für Städtetrips lesen: „Luzern ist langweiligste Stadt der Welt: sauber, pünktlich und zuverlässig. Also nichts für Sie.“ So ein Abweichen von der Tourismuswerbungs-Norm bringt nicht nur enorme Aufmerksamkeit, meist sind auch die Medien mit von der Partie und der Werbetreibende erhält einen kostenlosen PR-Nebeneffekt. (Denken Sie etwa nur an die Diskussion, die der Claim „Geiz ist geil“ ausgelöst hat.)

Aber natürlich ist Aufmerksamkeit nicht alles. Es gilt, bei solch einer Art von Kommunikation nicht Mut mit Plumpheit/Taktlosigkeit zu verwechseln. Denn wenn Sie mit Ihrem Aussagen über das Ziel (und die Zielgruppe) hinausschießen, vergraulen Sie am Ende mehr Kunden als Sie gewinnen. Außerdem muss die geweckte Neugier mit relevanten Informationen befriedigt werden: Was habe ich von dem Angebot? Wer ist der Absender? Wo kann ich mich weitergehend informieren, kaufen, buchen!

Diese zahlreichen wichtigen Inhalte müssen im Hirn des Betrachters ankommen, einen Kaufwunsch auslösen und zum Handeln bringen. Gleichzeitig darf er/sie aber nicht überfrachtet werden. Ganz schön schwierig, oder?

Aber dazu haben Sie Ihre Werbeagentur. Lassen Sie die das machen. Als Kommunikationsprofis bewahren sie Ihre Marke und finden dabei die richtige Mischung aus Auffallen und Aussage sowie die Balance zwischen Wecken von Sensations- und Reiselust.

Seien Sie also mutig.

Und kommentieren Sie jetzt diesen Artikel.

Author: Simone Säubert

3 Comments

  1. Steffie sagt:

    Absolut spannend! Gibt es aus Hameln Ergebnisse über z.B. steigene Übernachtungszahlen? Ist das Medienübergreifend, also für Print, Online und TV gültig? Gruß

    • Ohne jetzt der Konkurrenz zu viel Lob zu gönnen – aber die Kampagne „725 Jahre Rattenfänger“ war ein voller Erfolg. Sie stand unter dem Motto „Geheimnis, Magie und Verführung“ und stellte die dunkle, mystische Seite des Rattenfänger-Märchens heraus. Dadurch wurde diese Erzählung nicht verharmlost oder beschönigt und die Botschaft blieb haften, wie die Telefon- und Besucherumfragen bestätigten.
      Außerdem wirkte der mutige Ansatz inspirierend auf die Anbieter von touristischen Dienstleistungen und nicht zuletzt auf die Bürger der Stadt. Alle brachten sich mit Ihren Ideen ein.

      Es gab folgende Maßnahmen:
      – Website http://www.725-Jahre-Rattenfaenger.de
      – alle Printmedien im Jubiläumslook und -wording, vom aufklappbaren Jahreskalender bis zum Gastgeberverzeichnis
      – Online-Newsletter
      – Litfasssäulenwerbung, Treppenbeklebung im Hannoveraner Hauptbahnhof, Deckenbanner am Hannover Airport, Großflächenplakate
      – Verkehrsmittelwerbung
      – Anzeigen in Tageszeitungen
      – 15-Sekunden-Werbespot in ECE-Einkaufsgalerien
      – Events:
      · „Mystica Hamelon“ (Mittelaltermarkt, Filmfest)
      · „Hamelner Verführung“ (Maskenball, Candle-Light-Dinner, Open-Air-Kino“ etc.)
      · „Zwielicht“ (Theaterfestival)
      · „Tag der Leseratten“
      · „Tag der Niedersachsen“ (Festumzug – mit Besucherrekord)
      · „Kinderauszug“ (in Anlehnung an das Märchen – Erlöse für einen guten Zweck)
      · Konzert „Jethro Tull“
      – Jubiläumssong „Dark Side of the Piper“
      – Merchandising-Artikel

      Außerdem wurden neue touristische Produkte und damit Reiseanlässe geschaffen.

      Die Bilanz der mutigen Kampagne:
      -> Innenwirkung: Bürger identifizieren sich mit Ihrer Stadt
      -> Hohe Bekanntheit des Jubiläums
      -> Zuwachs an Tagestourismus und Übernachtungen

  2. […] klares Profil sind sie nicht nur in den Augen der Öffentlichkeit völlig austauschbar (siehe auch hier), sondern werfen ihr Geld an der Zielgruppe vorbei, weil sie nicht wissen, auf wen sie zielen […]

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