Kulturtourismus-Marketing – So wird’s gemacht!
Kulturtourismus ist nicht nur sehr spannend, sondern, richtig angefasst, auch eine lukrative Einnahmequelle. Diese Entdeckung machen immer mehr Destinationen und Tourismusbüros, aber auch (vor allem durch Kooperationen) Carrier, Hotels und Reiseveranstalter. Als Agentur merken wir das daran, dass vermehrt Anfragen in diesem Bereich bei uns ankommen.
Eine erfreuliche Entwicklung, liegt doch traditionell (und völlig zu unrecht) eine dicke Schicht Staub auf dem Begriff und den damit verbundenen Assoziationen. Und noch immer zögern viele Tourismusbüros, ihre Kulturkarten gezielt auszuspielen. Unter anderem fehlt das Gefühl für die Thematik und seine Kommunikation, Zeit und (immer wieder) Geld. Verständnis und Knowhow in diesem Bereich wollte das Seminar „Geist und Geld: Kulturtourismus“ am Nordkolleg in Rendsburg schaffen. Grund genug für uns, hinzufahren und das geballte Wissen für Sie mitzubringen…
Was darf man sich unter einem Kulturtouristen eigentlich vorstellen? Was banal klingt, führt in der Praxis aber oft zu Problemen und Missverständnissen. Die Fachwelt (auf dem Seminar zunächst vertreten durch Albrecht Steinecke, Professor für Wirtschafts- und Fremdenverkehrsgeographie an der Uni Paderborn und der deutsche Experte für Kulturtourismus) unterscheidet zwischen oberflächlichen („Auch-Kulturtouristen“) und hardcore Kulturtouristen. Die Auch-Kulturtouristen (etwa 78 % der Touristen in einer repräsentativen Befragung innerhalb der deutschen Bevölkerung) sehen in dem Kulturangebot zwar keinen Reiseanlass, aber, neben ihren anderen Aktivitäten, einen Zusatznutzen. Für die Hardcore User (14 %) ist die Kultur Hauptreiseanlass. Bleiben nur etwa 9 % der Touristen, die mit dem Thema gar nichts zu tun haben („Nicht-Kulturtouristen“).
Da fast jeder von uns also während des Urlaubs irgendwann mal eines oder mehrere Kulturangebote wahrnimmt (das beliebteste ist übrigens Spazierengehen – vielleicht nicht das Erste, was einem einfällt, wenn man Kultur hört, aber es gehört durchaus dazu – es folgen Wandern, Museen, Theater/Opern und die anderen Klassiker), haben wir es im Kulturtourismus erstmal auch mit einer sehr großen Zielgruppe zu tun. Sowohl die oberflächlich Interessierten („Auch“) als auch die Kultur-Freaks („Nur“) wollen auf ihre Kosten kommen. Für Museen, Ausstellungen usw. heißt das also, dass ihr Angebot sowohl schnell erfassbar sein muss (Was muss der Tourist mit wenig Zeit unbedingt sehen?) als auch diejenigen befriedigt, die tiefer in die Materie einsteigen wollen, wenn beide Zielgruppen angesprochen werden sollen. Mit der schnellen Erfassbarkeit der Kulturangebote ist das aber so eine Sache. Das Problem: Die Kulturinstitutionen denken traditionell eher innengerichtet. Sie kennen ihr Produkt, sind von seiner Relevanz und Bedeutung überzeugt („Wir haben hier doch so viel!“) und entsprechend schwierig ist es für sie auch, sich auf die oberflächliche Wahrnehmung reduzieren zu lassen. Für ein touristengerechtes Angebot muss das aber häufig sein. Das ist ein Konflikt, der das Thema Kulturtourismus tatsächlich schwieriger macht.
Eine enge Zusammenarbeit der einzelnen Akteure auf kultureller und touristischer Seite (die teilweise leider auch in Konkurrenz zu einander stehen) ist also vonnöten, und das nicht nur hier, sondern auch bei scheinbaren Trivialitäten (z. B. einer zeitlichen Abstimmung wichtiger Ausstellungen um Überschneidungen zu verhindern, etc.) und vor allem auch für eine Schaffung von touristischem Mehrwert durch Kooperationen: Rabattketten, Themensammlung, Kooperationen mit Gastronomie, Handel und Hotels, Vernetzungen sekundärer kultureller Attraktionspunkte (z.B. Bildung von Themenstraßen), gemeinsame Produkt- und Marketinggestaltung etc. Hier wird Kulturtourismus übrigens auch für Carrier, Hotels und etwa Reiseveranstalter interessant.
Und natürlich geht es auch in dieser Spielart des Marketings um USPs! Alleinstellungsmerkmale! Positionierung! Sowohl für die Destinationen und ihr einzigartiges (!) Kulturangebot, als auch für die Kulturinstitutionen selber. Die Menschen sind auf der Suche nach „Once in a lifetime“-Erfahrungen, benötigen immer wieder neue Anlässe für Reisen in die Region und einen Grund, diese auszuwählen – denn „schön“ ist es, wenn man den Image- und Reisekatalogen Glauben schenkt – überall. Yvonne Pröbstle, M.A. (Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturmanagement der PH Ludwigsburg, Arbeitsschwerpunkt: Kultur und Tourismus) hat hierzu auch das Beispiel „Local Heroes“ im Rahmen der Bemühungen für die Kulturhauptstadt 2010 genannt. Eine nette Initative, in der jeder der über 60 Orte der „Kulturhauptstadt“ Ruhrgebiet ein paar Tage Local Hero ist und sich auf einem Profil kurz mit den Informationen vorstellt, die den Ort von den anderen unterscheidet und ihn auf seine Weise besonders macht („Drei Dinge, die man nicht verpassen darf…“, „Wir sind Helden, weil…“, „Spezialität“, „Bester Grillplatz“, usw.).
Eine frische Idee, um die Besonderheiten der Städte herauszuheben – und genau das ist der Punkt: Nicht nur werden die kulturellen Angebote der einzelnen Regionen bisher zu einfarbig dargestellt, der Kulturbegriff ist hierzulande auch von Haus aus eher ernst und faktenschwer – und damit erstmal nicht besonders attraktiv für den Normaltouristen. Insgesamt gilt es also, Kulturangebote lebendiger und greifbarer zu machen – Best Practice Beispiele dafür finden sich bisher vor allem im Ausland.
Außerdem machte Frau Pröbstle deutlich, dass Kultur auf Reisen anders wahrgenommen wird als im Alltag. Im Alltag spielt der soziale Aspekt (Theaterbesuch als Unternehmung mit Freunden), die Ortskenntnis und die Nutzung der ganzen Breite des Angebots eher eine Rolle, während man auf Reisen die Kulturangebote viel intensiver wahrnimmt, aber auch weniger experimentierfreudig ist. Für die Kommunikation der Kulturangebote im Tourismus ist das wichtig zu verstehen.
Neben all der Theorie folgten noch einige Vorträge aus der Praxis. So hat Simone Eberhardt von der TASH (Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein) ihre Arbeit für den Kulturtourismus im Land der Horizonte vorgestellt, die sich natürlich sehr eng an der klar definierten Zielgruppe des Bundeslands (Best Ager, Anspruchsvolle Genießer, Familien mit Kindern) und deren Bedürfnisse ausrichtet und mit verschiedenen Marketingsmaßnahmen und Printmedien unterstützt wird.
Frank Zarp, der PR-Leiter der schleswig-holsteinischen Landesmuseen Schloß Gottorf, hat über die kommunikative Strategie seiner Häuser gesprochen und Martin Hamm (Leiter des Tourismusreferats im Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr des Landes S-H) über die Tourismuspolitik seines Landes.
Insgesamt gab das Seminar einen sehr runder Überblick über Kulturtourismus im engeren und weiteren Sinne und seine Bewerbung, mit vielen guten Leuten, Einblicken, Ideen und Erfahrungen, mit denen man arbeiten kann. Nicht alle konnte ich natürlich in diesem Blog-Artikel verarbeiten, wenn es konkrete Fragen oder klaffende Lücken gibt, melden sie sich gerne. Was auf den ersten Blick kaum bemerkbar war – die Veranstaltung war ausschließlich von Studierenden der Uni Kiel organisiert worden. Nicht zuletzt deshalb bestand das Publikum auch hauptsächlich aus – Studenten. Gut für die Studenten, aber schade für alle Praktiker, die diese Veranstaltung verpasst haben. Für uns war es in erster Linie interessant, über das Tourismusmarketing hinaus ein noch besseres Gefühl für das Management von Kulturangeboten und die Kulturtourismuspolitik zu bekommen. Das macht es nicht nur leichter, die Spannungsfelder zwischen den Akteuren zu verstehen, sondern auch deren Interessen in Zukunft auch besser in unsere Überlegungen einbeziehen zu können – um Konflikten von vorn herein den Gar aus zu machen.
Achja, einen habe ich vergessen: Hans-Helmut Schild (GF der Kultur- und Tourismusmarketings GmbH und ehemaliger Geschäftsführer der Düsseldorf Marketing & Tourismus GmbH) hat anhand der Konstantinausstellung Trier gezeigt, wie erfolgreiches Kulturmarketing aussehen kann. Die enorm erfolgreiche Ausstellung (über 15 Millionen Euro Gewinn) stützte ihren Erfolg wohl u.a. darauf, Campingplatzwarte mit Bierkisten zu bestechen, den Ausstellungsflyer an ihre Gäste zu verbreiten und Plakate vor dem Haus der zuständigen Politiker aufzuhängen…
Kulturtourismusmarketing kann also auch ungewöhnliche Wege gehen. Wenn Sie Hilfe brauchen, diese zu finden: Fragen Sie uns ruhig mal, den ein oderen anderen guten Vorschlag haben wir sicher für Sie – nun, frisch inspiriert und mit Rundumblick, erst recht.